Warum selbst die erfolgreichsten Unternehmen pleitegehen

Fünf Fehler aus dem Buch „How the Mighty Fall“.
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Wie groß ein Unternehmen auch sein mag, ist es doch nie ganz vor dem Konkurs geschützt. Alles beginnt oft mit einem übermäßigen Vertrauen in die eigene Führung.

In seinem Buch „How the Mighty Fall“ analysiert der Unternehmensberater Jim Collins, wie und warum Wirtschaftsgiganten weltweit pleitegehen. In unserem Artikel findest du einige eindrucksvolle Geschichten.

Laut Collins, gibt es fünf Phasen des Zusammenbruchs erfolgreicher Unternehmen:

  • Arroganz basiert auf enormem Erfolg
  • Unkontrolliertes Verlangen nach Wachstum
  • Verleugnung von Gefahren
  • Kampf ums Überleben
  • Kapitulation

Jim Collins ist der Ansicht, dass dieses Muster auf nahezu alle großen Unternehmen passt, die sich in einer tiefen Krise befinden. Auf dem Höhepunkt des Wachstums glauben die Manager:innen solcher Unternehmen, dass ihr Erfolg von Dauer ist. Sie entspannen sich, hören auf, ihre Entscheidungen zu hinterfragen und Ergebnisse kritisch zu analysieren.

Sie beginnen, schnell zu skalieren und Risiken einzugehen, weil sie überzeugt sind, dass nichts ihren Erfolg stoppen kann. Wenn das Unternehmen mit Problemen konfrontiert wird, ignoriert die Führungsebene diese.

„In diesem Stadium unterschätzen Manager:innen und Unternehmensberater:innen negative Daten, überschätzen positive Daten und nehmen fragwürdige Daten positiv wahr“, schreibt Collins dazu in seinem Buch.

Wenn die Gefahr des Zusammenbruchs droht, beginnen Geschäftsführer:innen solcher Unternehmen, chaotisch zu handeln. Sie beschließen, alles neu aufzubauen, ein neues Produkt auf den Markt zu bringen und die Strategie komplett zu ändern. Dies bringt jedoch nur kurzfristige Ergebnisse und führt schließlich oft zum Risiko des Konkurs.

Zwischen Erfolg und Pleite können nur ein paar Jahre dauern (wie bei Lehman Brothers), aber auch drei Jahrzehnte (wie beim Schweizer Uhrenhersteller Zenith) liegen.

Hier sind einige Tipps, um einen solchen Zusammenbruch zu vermeiden:

Nr. 1. Passe dich Marktveränderungen an

In den 1990er Jahren verfünffachte sich der Umsatz der Motorola Company, d. h. er stieg von 5 auf 27 Milliarden Dollar. Das Unternehmen brachte das StarTAC-Telefon auf den Markt, das damals kleinste Mobiltelefon der Welt. Motorola war stolz und freute sich über das Wachstum.

Es gab jedoch ein entscheidendes Problem: StarTAC funktionierte mit analoger Technik, während die meisten Mobilfunknetzbetreiber schon lange auf Digitaltechnik umgestellt hatten und dies auch von Herstellern verlangten.

Das Topmanagement von Motorola nahm die Veränderungen gelassen hin. Sie sagten: „43 Millionen analoge Nutzer:innen können sich nicht irren.“

Infolgedessen traten immer mehr Konkurrenten auf den Markt, die Digitaltechnik verwendeten. Mitte der 90er Jahre beherrschte Motorola 50 % des Marktes. Bis 1999 war dieser Anteil auf nur noch 17 % geschrumpft. Die Folge: innerhalb von nur vier Jahren musste das Unternehmen 60.000 Mitarbeiter:innen entlassen.

Eine ähnliche Geschichte erlebte die älteste Supermarktkette der Welt, die Great Atlantic & Pacific Tea Company (A&P). Im Jahr 1957 starb der Gründer George Hartford, und seine beiden Söhne beschlossen, keine weiteren Anpassungen vorzunehmen. Ihre Strategie lautete: „Lasst uns die Dinge so belassen, wie sie sind, um erfolgreich zu bleiben - wir sind schließlich A&R.“

Im Laufe der Zeit kamen jedoch immer mehr neue Supermärkte in den USA hinzu. Bald kauften nur noch ältere Menschen bei A&R ein, einfach aus Gewohnheit. Das Unternehmen musste letztendlich schließen.

Nr. 2. Sei realistisch

Der Haushaltswarenhersteller Rubbermaid hatte die Regel, täglich ein neues Produkt auf den Markt zu bringen. So wurden jeden Tag neue Produkte hergestellt, und jedes Jahr wurde eine neue Produktkategorie geschaffen.

„Unsere Vision ist es, zu wachsen“, sagten die Topmanager:innen von Rubbermaid.

In drei Jahren brachte das Unternehmen mehr als tausend Produkte auf den Markt und ertrank in den organisatorischen Abläufen des eigenen Wachstums. Rubbermaid schaffte es nicht einmal, die Waren rechtzeitig an Kund:innen zu liefern. Bald machte das Unternehmen Verluste und entließ mehr als tausend Mitarbeiter:innen.

Laut Collins sollten Unternehmen in einem Tempo wachsen, das es erlaubt, die erforderliche Anzahl von Fachkräften einzustellen. Wenn ein Unternehmen schneller wächst, als es sein Personal aufbaut, steht es früher oder später vor erheblichen Problemen.

Nr. 3. Vergiss überholte Ideen

Im Jahr 1985 machte ein Ingenieur von Motorola mit seiner Familie Urlaub auf den Bahamas. Seine Frau versuchte, ihre Kund:innen mit einem Mobiltelefon anzurufen, aber es gab keine Verbindung.

So kam Motorola auf die Idee, Iridium zu entwickeln: ein Satellitentelefon mit 100-prozentiger Abdeckung, mit dem sogar vom Nordpol aus telefoniert werden kann.

Die Entwicklung hat mehr als zehn Jahre gedauert. In dieser Zeit wurde die mobile Kommunikation immer erschwinglicher, und die Möglichkeit, von überall aus mit dem Handy zu telefonieren, schien keine verrückte Utopie mehr.

Motorola stand vor dem Dilemma, ob man weiter in das Projekt investieren oder es aufgeben sollte. Die Unternehmensleitung beschloss jedoch, das Risiko zu nehmen - sie hatten ja bereits extrem viel Zeit und Geld in das Projekt investiert.

1998 kam Iridium auf den Markt. Es kostete 3.000 Dollar, und eine Gesprächsminute kostete zwischen 3 und 7 Dollar. Ein Jahr später gab das Unternehmen einen Verlust von 1,5 Milliarden Dollar für dieses Projekt bekannt. Es wurde zwar eingestellt, aber die Tatsache, dass es nicht rechtzeitig eingestellt wurde, beschleunigte den Untergang von Motorola erheblich.

Nr. 4. Übertreibe es nicht mit Umstrukturierungen

In den 1960er Jahren war Scott Paper ein weltweit führender Hersteller von Papierprodukten wie Servietten, Toilettenpapier und Handtüchern. Allerdings sind damals Procter & Gamble und einige andere kleinere Unternehmen in diesen Markt eingetreten.

Das Management von Scott Paper beschloss, das Unternehmen umzustrukturieren. Innerhalb von fünf Jahren wurden mithilfe von Unternehmensberater:innen Abteilungen, Managementsysteme und Marketingstrategien geändert. In dieser Zeit hat die Führungsebene die Organisation dreimal umstrukturiert. So geriet der Papierhersteller in eine tiefe Krise und verlor fast seinen gesamten Marktanteil.

Collins schreibt: „Umstrukturierungen können die Illusion erwecken, dass man etwas Sinnvolles tut. Dabei riskiert man jedoch, die Realität zu ignorieren. Es ist, als würde man die Möbel im Wohnzimmer umstellen, während das Haus auseinanderfällt.“

Nr. 5. Keine Panik

Die Firma Addressograph war Marktführer bei Kopierern, bis Xerox auftauchte. In Panik startete Addressograph ein „Anti-Krisen“-Programm. In drei Jahren brachten sie 23 neue Gerätemodelle auf den Markt.

Am Ende geschah mit Addressograph in etwa das Gleiche wie mit Rubbermaid, d.h. sie konnten Bestellungen nicht rechtzeitig bearbeiten und 16 der 23 neuen Produkten waren ohne Erfolg.

Addressograph begann, Verluste zu machen. Das Unternehmen wechselte mehrmals die Geschäftsleitung, die Strategie und sogar den Hauptstandort. Doch all das war vergeblich. Im Laufe der Zeit waren nur noch wenige hundert der einst 30.000 Mitarbeiter:innen im Dienst.

Collins notiert dazu in seinem Bestseller-Buch: „Anstatt ruhig, zielorientiert und verantwortungsbewusst zu bleiben, trifft das Topmanagement in Eile und Panik risikoreiche Entscheidungen. Das kann der Todesstoß für große Unternehmen sein.“