Illustratorin Martina Paukova: „Kreativität ist wie ein Muskel“ – Wie man seinen ganz eigenen Stil findet

Entdecke die Welt der digitalen Illustration mit Martina Paukova.
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In der heutigen schnelllebigen Zeit spielt Illustration in der Kommunikation, im Storytelling und im Marketing eine entscheidende Rolle. Auf sozialen Medien und digitalen Plattformen erregen Illustrationen Aufmerksamkeit, vermitteln Botschaften und rufen Emotionen hervor, die Sprachbarrieren überwinden. In einer Welt, die von Stock Images überschwemmt scheint, gelingt es Marken sich durch originelle Illustrationen von der Masse abzuheben und ein einzigartiges Image aufzubauen.

Freiberufliche Illustratorin Martina Paukova, eine Meisterin ihres Fachs mit über 10 Jahren Illustrationserfahrung, hat in ihrer bemerkenswerten Laufbahn schon Zusammenarbeiten mit Marken wie Apple, Google und YouTube geleitet. Wie es ihr gelingt, immer wieder kreative Grenzen auszutesten und wie angehende Künstler:innen eine eigene visuelle Identität kreieren, erzählt sie uns im exklusiven Interview.

Kannst du uns deinen Karriereweg skizzieren und erzählen, wie du deinen einzigartigen Stil gefunden hast?

Meine Reise als freiberufliche Illustratorin verlief alles andere als konventionell. Als Politikstudentin von 25 Jahren zog ich ohne klaren Weg vor Augen nach London. Ich ahnte nicht, dass das Schicksal ganz andere Pläne für mich hatte. Das Glück schlug zu, als ich auf einen Grafikdesign-Kurs stieß, der meine Karriere in neue Bahnen lenkte. Schließlich absolvierte ich den Bachelor und später auch den Master in Illustration an der University of the Arts.

Während meiner Zeit an der Universität fühlte ich mich zu einem Projekt hingezogen, bei dem es um das Erstellen von Charakteren und das Erzählen von Geschichten ging. Ich begann, diese Charaktere in sozialen Medien zu teilen, und zu meiner Überraschung war das Feedback von Followern und aus der Branche extrem positiv. In diesem Moment erkannte ich, wie sehr ich die digitale Illustration genoss – das Zeichnen um des Zeichnens willen. Durchdrungen von humorvollen Aspekten, die den Menschen ein Lächeln ins Gesicht zauberten.

Gibt es bestimmte Künstler:innen oder Kunstrichtungen, die dich beeinflussen?

Ich finde Inspiration in einer breiten Palette von Quellen und habe interessanterweise keine Lieblingskünstlerin oder einen Kunststil, der starken Einfluss auf meine Arbeit hat. Im Laufe der Jahre habe ich sehr viele Menschen und ihre einzigartigen Stile bewundert, und ich schätze die Vielfalt in der Kunst sehr.

Lass uns in deinen kreativen Prozess eintauchen. Wie gehst du an einen neuen Auftrag heran?

Ich glaube, Kreativität ist wie ein Muskel, der durch Training stärker wird. Nach all den Jahren Übung fällt es mir relativ leicht, neue und spannende Ideen zu entwickeln. Wenn ich ein neues Projekt angehe, konzentriere ich mich zuerst darauf, das Format und die Anforderungen zu verstehen. Geht es zum Beispiel um eine einfache Szene oder ein Bild mit eingebauter Metapher? In der Welt der Illustration können Aufträge manchmal eine konzeptionelle Wendung nehmen, was dann viel mehr Zeit als erwartet in Anspruch nimmt.

Kannst du uns durch deinen kreativen Prozess führen?

Aus dem Stegreif erinnere ich mich an ein Projekt, bei dem es um alkoholfreien Wein ging – eine echte Herausforderung, die meine kreative Neugier entfachte. Wie kann man einen alkoholfreien Wein auf einem Bild darstellen, sodass es den Betrachter:innen sofort klar ist? Also habe ich mich in einen Google-Suchwahnsinn gestürzt und sowohl alkoholische als auch alkoholfreie Weine studiert. Ich war auf der Jagd nach dem Funken Inspiration, diesem kleinen „Ich hab’s!“-Moment. Letztendlich war dieser Prozess erfolgreich, und ich habe eine Lösung gefunden, mit der der Kunde zufrieden war.

Bei einigen Aufträgen sprudeln die Ideen in meinem Kopf hoch, während ich den Auftrag lese, und bei anderen muss ich mich voll in die Recherche stürzen. Dann suche ich das Internet nach verwandten Bildern ab, lass mich von bestehenden Illustrationen inspirieren und jongliere gleichzeitig mit dem Arbeitsauftrag, um etwas insgesamt Originelles zu entwickeln. Dabei erweisen sich Metaphern und visuelle Wortspiele oft als sehr hilfreiche Werkzeuge, um die Botschaft zu vermitteln.

Kannst du uns verraten, welches Projekt dich zuletzt herausgefordert hat und wie du die Hürden im kreativen Prozess überwunden hast?

Ein gutes Beispiel ist das Projekt, das ich für Google Play übernommen habe. Ich sollte zehn Bilder erstellen, von denen keins Personen enthalten durfte. Stattdessen musste ich clevere Metaphern und visuelle Darstellungen finden - etwas, das ich in diesem Maß zuvor noch nicht probiert hatte. Um diesen Auftrag zu meistern, musste ich viele verschiedene Ideen ausprobieren, um das perfekte Gleichgewicht zwischen deutlicher Botschaft und frischer Idee zu finden. Hier spielte die Illustration eine entscheidende Rolle, um abstrakte Themen visuell zu kommunizieren, sodass viele verschiedene Zielgruppen es verstehen können. Allein mit Worten wäre das beinahe unmöglich gewesen.

Welche Programme nutzt du für deine Arbeit? Gibt es bestimmte Techniken, mit denen du gerne experimentierst?

In meinem kreativen Werkzeugkasten sind natürlich der klassische Bleistift und ein Skizzenbuch zu finden, um Konzepte festzuhalten. Erst danach gehe ich zur digitalen Arbeit über. Für digitale Illustrationen verwende ich Procreate, denn das bietet Flexibilität mit Ebenen und die Möglichkeit, Skizzen sofort zu bearbeiten. Dann wechsle ich zu Adobe Illustrator, das mein allgemein bevorzugtes Werkzeug für Vektorarbeiten ist. Meine Spezialität ist es, Vektorlinien in organische Formen zu gießen - etwas, wofür sie normalerweise nicht genutzt werden. In den letzten 2-3 Jahren hat das iPad Pro mit dem zugehörigen Stift meine Arbeit außerdem extrem erleichtert und intuitiver gemacht.

Wie bewahrst du gleichzeitig deinen eigenen Stil und erfüllst die Erwartungen deiner Kund:innen?

Meinen eigenen Stil beizubehalten ist entscheidend, um Auftraggeber:innen anzuziehen, die mich genau wegen meines Markenzeichens buchen. Ich glaube, Kund:innen mögen die starken Farben, den Humor und meine visuellen Metaphern. Dennoch habe ich gelernt, bestimmte Anforderungen anzunehmen. Auch wenn ich größtenteils unabhängig arbeite, bleiben gute Kommunikation und Kompromissfindung wichtig. Ich nutze zum Beispiel gewünschte Farbpaletten oder Themen, ohne dass mein eigener Stil dabei auf der Strecke bleibt. Viele Anforderungen scheinen erst einmal wie Beschränkungen, erfordern aber tatsächlich mehr Kreativität meinerseits und fügen den Projekten eine unerwartete Note hinzu.

Was hebt deine digitalen Illustrationen von der Masse ab? Wie schaffst du es, originelle und ansprechende visuelle Elemente zu schaffen?

Ich glaube, meine Verwendung von Farbkombinationen in Verbindung mit recht unbeholfenen, aber menschlichen Charakteren unterscheidet meine Illustrationen von anderen. Obwohl ich sie nicht immer als außergewöhnlich betrachte, scheinen diese Kombinationen bei meinem Publikum Anklang zu finden. Ich neige dazu, Charaktere zu erschaffen, die leicht cartoonhaft sind, was sie für verschiedene Marken und Zielgruppen ansprechend macht. Darüber hinaus geht meine persönliche Arbeit in eine dunklere und eigenwilligere Richtung, was mir ermöglicht, mich abseits der typisch fröhlichen Charaktere kreativ auszutoben. Die Mischung aus kommerziellen Aufträgen und persönlichen Projekten hält meinen Stil frisch und regt mich dazu an, ihn ständig weiterzuentwickeln.

Wie hältst du dich über aktuelle Trends auf dem Laufenden? Suchst du proaktiv nach neuer Inspiration und bildest dich weiter?

Instagram ist meine bevorzugte Plattform geworden, um aktuelle Trends und die Werke jüngerer Künstler:innen zu entdecken. Es bietet eine solche Vielfalt an Perspektiven und Stilen, die ich sonst vielleicht nie entdeckt hätte. Ich lasse mich auf meinem künstlerischen Weg inspirieren und bilde mich parallel weiter, um einen kontinuierlichen Fluss an Kreativität sicherzustellen.

In welchen Branchen arbeitest du besonders gerne?

Üblicherweise arbeite ich mit Tech-Unternehmen, Zeitschriften und Marken. Allerdings realisiere ich immer mehr, dass ich auch Freude daran habe, digitale Illustrationen zu erstellen, die in physische Formen wie Wandkunst, Produkte und Verpackungen umgesetzt werden können. Ich würde gerne mehr in der Mode- und Lifestyle-Branche arbeiten, wo visuelle Elemente so voller Leben und Optimismus sein können.

Welchen Rat würdest du angehenden Illustrator:innen geben, die einen einzigartigen Stil entwickeln möchten?

Mein Rat: Zeichne, zeichne, zeichne! Der Schlüssel zum Zeichnen lernen liegt im ständigen Üben und Entdecken. Während junge Künstler:innen vielleicht auf schnellen Erfolg aus sind, ist es wichtig, sich auf die Reise zu konzentrieren und die unglaublichen Lernmomente, die sie bietet. Ich habe einmal ein Interview mit der italienischen Illustratorin Olimpia Zagnoli gelesen, die heute eine echte Größe in der Szene ist. Sie betonte zwar die Bedeutung des Kopierens und Experimentierens, um deinen eigenen Stil zu finden, drängte aber auch dazu, deine eigene Geschichte zu erkunden um das Puzzleteil zu finden, das nur dir gehört. Zeichnen lernen ist wie das Zusammenfügen verschiedener Zutaten, um etwas Unvergleichbares zu schaffen. Wenn du deine Kapazitäten darein investierst, wirst du ein muskuläres Gedächtnis für deinen eigenen Stil entwickeln.

Kannst du uns zuletzt noch mehr über den Kurs erzählen, den du mit ELVTR anbietest? Welches Thema begeistert dich am meisten?

Der Kurs ist eine kreative Reise in die Welt der Illustration, und ich freue mich besonders darüber, wie er die Teilnehmenden herausfordert, die Grenzen ihrer Vorstellungskraft zu erweitern. Ich will Teilnehmende ermutigen, neue Perspektiven und Ideen in ihren Illustrationen zu erkunden. Dazu gibt es eine Reihe von Techniken, die kreative Blockaden lösen und das Finden einer einzigartigen künstlerischen Stimme erleichtern. Im Laufe des Kurses lernen wir verschiedene Illustrationsstile, wie z.B. Kinderbuch-Illustration, kennen. Ich möchte sie mit den notwendigen Fähigkeiten und Kenntnissen ausstatten, um selbstbewusst auf den kreativen Arbeitsmarkt zu treten.